‚Knollenlatein‘: mfr, vfk, ssp… Geheimcode für den Kartoffelanbau?

Ist das eine Geheimwissenschaft? Knollologie vielleicht?

Man meint ja, Kartoffeln anbauen ist kinderleicht: Loch in die Erde, Knolle rein, bisschen düngen und gießen, bis das Laub verwelkt, und dann einfach ernten. Weit gefehlt! Wenn du dich online nach Informationen für Hobbygärtner umsiehst, wirst du mit den merkwürdigsten Begriffen zugeballert. So richtig schlimm wird es, wenn du dir zum Beispiel die Liste der Kartoffelsorten vom IPK Gatersleben ansiehst, wo es wirklich ganz tolle Sorten gibt. Da muss auch ich immer den Schlüssel danebenlegen, damit ich mich zurechtfinde. Meistens sind solche Listen nicht ganz so umfangreich, aber doch voller kryptischer Abkürzungen. Das kann einen schon aus dem Tritt bringen. In Wirklichkeit ist das alles völlig harmlos. Wichtig für uns Hobbygärtner sind hauptsächlich zwei Gruppen von Begriffen bzw. Kürzeln:

Die Kocheigenschaften

Die Kocheigenschaften kennt eigentlich jeder, der schon einmal Kartoffeln gekauft hat. Man braucht ja für unterschiedliche Rezepte auch unterschiedliche Kartoffeln, deshalb ist das schon praktisch, wenn man diese Eigenschaften kennt. Es gibt grob gesprochen festkochende, vorwiegend festkochende und mehlige Sorten. Abgekürzt wird das so: fk, vfk und m. In Wirklichkeit gibt es auch alles dazwischen, also Sorten, die fest- bis vorwiegend festkochend sind, wie zum Beispiel die Belle de Fontenay oder die Blaue Ludiano, und solche, die genau zwischen vorwiegend festkochend und mehlig sind, wie beispielsweise die Galactica oder die Grandifolia. Manchmal beeinflussen auch das Wetter und die Bodenbeschaffenheit diese Kocheigenschaften, manchmal ändern sich diese Eigenschaften sogar während der Lagerung, aber den ersten Teil der Kürzel hätten wir hiermit schon mal abgehakt.

Die Reifegruppe

Ein bisschen komplexer ist die zweite Kategorie von Kürzeln, und die bezieht sich auf die Reifegruppe. Es gibt recht viele dieser Gruppen, und sie bezeichnen alle die Zeit zwischen dem Legen der Pflanzkartoffeln und dem Ernten der neuen Knollen. Diese Zeiträume werden wie folgt benannt: sehr früh, früh, mittelfrüh, mittelspät, spät und sehr spät. Die Abkürzungen hierfür sind diese hier: sfr, fr, mfr, msp, sp und ssp. Späte Kartoffeln sind also nicht solche, die spät in die Erde hineinkommen, sondern sie kommen spät wieder raus. Das ist für Einsteiger etwas verwirrend, denn noch dazu kommen ja frühe Sorten tatsächlich oft auch ganz früh in die Erde. Und eben früh wieder raus.

Von welchen Zeiträumen sprechen wir hier überhaupt? Die Angaben schwanken ein bisschen, aber grob gesprochen können sehr frühe Kartoffeln schon nach 80 bis 90 Tagen aus der Erde, frühe nach 100 bis 110, mittelfrühe nach 120 bis 130, mittelspäte nach etwa 140, späte nach 150 und die allerletzten sehr späten nach bis zu 180 Tagen. Wie du dir denken kannst, gibt es auch hier alles dazwischen, und wann die nun wirklich reif sind, schwankt auch von einem Jahr zum anderen. Noch dazu werden viele Sorten von unterschiedlichen Anbauern in unterschiedliche Reifegruppen einsortiert. Der Ackersegen zum Beispiel wird manchmal als spät, manchmal als sehr spät bezeichnet, und da kann dann schon ein ganzer Monat zwischen liegen. Selber nachgucken lohnt sich also immer.

Märchen und Mythen

Wo wir grad dabei sind: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Frühkartoffeln grundsätzlich nicht lagerbar sind und späte Sorten sich dagegen ganz wunderbar für den Wintervorrat eignen. Deshalb steht bei den Frühen oft ‚für den baldigen Verzehr‘, und die Späten werden als Einkellerkartoffeln bezeichnet. Im Großen und Ganzen stimmt das auch, aber es gibt so viele Ausnahmen, dass es sich wirklich wieder einmal lohnt, eigene Erfahrungen zu sammeln.

Ich kann dir hier schon mal von meinen erzählen. Nur ein paar Beispiele: Einige frühe Sorten wie Belana, Birgit, Gloria oder Gunda lassen sich bestens lagern. Die Birgit gehört da sogar zu meinen absoluten Favoritinnen und ist oft bis zum Aufwecken für die Neupflanzung noch schön. Der Ackersegen, den ich eben schon erwähnt habe, keimt dagegen oft zu früh. Auch die Arran Victory, ebenfalls eine sehr späte Sorte, treibt relativ zeitig wieder aus. Das Gleiche gilt für die Blaue Anneliese, die Bonita Ojo de Perdiz, die wirklich extrem keimwütig ist, die Mandelkartoffel und etliche andere späte Sorten. Ich sage das nur, damit du dich nicht wunderst oder glaubst, bei deinen Kartoffeln läuft irgendetwas schief.

Sortenwahl

Sowohl die Kocheigenschaften als auch die Reifegruppe sind einigermaßen wichtig, wenn du überlegst, welche Sorten du anbauen möchtest. Wenn ich aber Sortenlisten nach interessanten Neuheiten durchstöbere, gehe ich ehrlich gesagt ganz anders vor. Ich gucke immer als erstes nach der Bewertung des Geschmacks. Danach kann ich ja dann immer noch dafür sorgen, dass ich sowohl festkochende als auch vorwiegend festkochende und mehlige Sorten habe. Lecker ist für mich am wichtigsten. Der Rest ergibt sich dann von alleine…