Weder 2017 noch 2018 werden als das Jahr der Knolle in die Geschichte eingehen. Hatten wir letztes Jahr beinahe durchgehend Regen, war es diesmal so trocken und heiß wie seit anderthalb Jahrzehnten nicht mehr. Viele Pflanzen machen da schlapp. Und doch gibt es einige, die beide Extreme so gut wegstecken, dass ich sie euch empfehlen möchte. Hier könnt ihr lesen, welche Sorten das sind:
Urkartoffel
Diese Sorte baue ich seit einigen Jahren an. Die Knollen erinnern in Aussehen, Geschmack, Konsistenz und Lagerfähigkeit ein wenig an die Bamberger Hörnchen. Die Pflanzen tun das ganz und gar nicht. Während die Bamberger in guten Jahren zu riesigen Büschen heranwachsen, sehen die Urkartoffeln bei mir immer so aus, als würden sie gleich eingehen. Sie werden von Schnecken überrannt, es machen sich verschiedene Blattkrankheiten breit, und doch wachsen die Triebe stur weiter, als wäre nichts. Irgendwann rafft es sie dann völlig dahin, und ich hole die Knollen aus der Erde. Sie sind übrigens irgendwo zwischen mittelfrüh und mittelspät, je nachdem wie lange das Laub durchhält.
Als ich diese Sorte 2016 das erste Mal im Garten hatte (ich bekam sie übrigens vom IPK Gatersleben), hatte ich wegen eben dieses Laubs kaum Hoffnung auf eine nennenswerte Ernte und traute deshalb meinen Augen nicht, als ich die schönen und zahlreichen Knollen sah. Gänzlich überwältigt war ich von ihrem Geschmack. Obwohl ich auf vfk schwöre, ist doch diese festkochende Sorte der Hammer. Du musst sie einfach selber probiert haben. So wunderbar nussig, maronig und cremig, ein Traum!
2017 regnete es noch mehr als 2016, und doch brachte die Urkartoffel wieder eine richtig gute Ernte. Deshalb hatte ich mir diesmal schon ernsthaft Sorgen gemacht, weil ich es für unmöglich hielt, dass eine Pflanze, die mit so viel Nässe zurecht kommt, den Dürresommer 2018 überstehen konnte. Falsch gedacht! Ich habe zwar erst eine der Pflanzen abgeerntet, weil die anderen noch schön sind, und die Knollen sehen diesmal – wie bei den meisten anderen Sorten auch – etwas abenteuerlich aus, aber sie sind gesund und aromatisch. Einfach toll!
Blaue Anneliese
Die Blaue Anneliese ist im Gegensatz zur Urkartoffel eine ganz neue Züchtung; so neu, dass sie gerade erst das Zulassungsverfahren für die Bundessortenliste durchlaufen hat (https://www.kartoffelvielfalt.de/news/Blaue-Anneliese). Ich hatte meine ersten Annelieses deshalb zunächst aus normalen Speisekartoffeln gezogen.
Was machte die Blaue Anneliese im Dauerregen 2017? Sie blühte und blühte – über drei Monate lang. Anschließend oder sogar gleichzeitig setzte sie eine Unmenge der oberirdischen Kartoffelfrüchte an. Für die Ernte der Knollen machte ich mir deshalb keine großen Hoffnungen. Um so überraschter war ich, als ich aus einem einzigen großen Kübel die Ernte einer einzigen Kartoffel holte: 131 Knollen!
2018 hatte sie sich deshalb einen der begehrten und knappen Plätze im Hochbeet verdient und breitete sich dort hemmungslos aus. Die Nachbarreihe mit den Bölzigs Gelbblühenden wurde regelrecht aus dem Beet geschubst. Auch diesmal gab es wieder zahlreiche Blüten und Früchte, aber unter der Erde verhielten die Annelieses sich ganz eigenartig. Im ersten Teil des Sommers hatten sich während der Hitze und Trockenheit große Knollen gebildet, die wegen des Wetters inzwischen schon ein bisschen schorfig waren – was ihrem Geschmack keinen Abbruch tat. Als wir aber dann endlich Regen bekamen, sind anscheinend aus diesen ersten Knollen gleich die nächsten gewachsen, zum Teil sogar zwei oder drei. Die waren klein und makellos und damit perfekt geeignet als Pflanzkartoffeln für das nächste Jahr.
Eine Besonderheit der Blauen Anneliese habe ich aber noch gar nicht erwähnt: Im Regen 2017 wurden viele Kartoffelpflanzen früh durch Krautfäule dahingerafft. Einige Sorten hielten länger durch, allen voran die Sarpo Mira, die ja als besonders resistente Sorte gilt und gegen fast alle Krankheiten gewappnet ist. Eine einzige Sorte hat länger durchgehalten als die Sarpo Mira: Die Blaue Anneliese! Für mich eine der besten Kartoffeln für raues Klima.
UACh 0918
Wie kommt man denn als Knolle zu so einem schrägen Namen? Ganz einfach: Das ist die Erhaltungszucht einer uralten Sorte, und die wurde von der Südlichen Universität von Chile (Universidad Austral de Chile) sozusagen gerettet. Das haben die Leute dort gleich mit mehreren Sorten gemacht, die deshalb alle unterschiedliche Nummern tragen. Die Sorte, die ich von einer ganz lieben Frau aus der Schweiz bekommen habe, war halt die 0918.
Genau wie die Urkartoffel und die Blaue Anneliese schlug sie sich sowohl 2017 als auch 2018 so gut, dass sie in diese Liste der Top 4 Einzug halten konnte. Das hätte sie aber auch sonst getan, denn sie ist die vielleicht leckerste Kartoffel der Welt, das schwöre ich! Aber zurück zur Eifelklima-Tauglichkeit:
Auch wenn wir in dem Moment, wo ich das hier schreibe, schon den 21. September haben, stehen doch bis auf eine alle UACh 0918 noch draußen. Das Laub hat sich so perfekt gehalten, dass ich es zu schade fand, sie aus der Erde zu holen. Das habe ich bislang nur mit einer einzigen gemacht, und die war auch am längsten drin, also seit Ende März glaube ich. Das Wetter hat bei ihr zu den gleichen Merkwürdigkeiten geführt wie bei der Blauen Anneliese: Aus den ersten, während der Trockenperiode entwickelten Knollen wuchsen nach dem Regen gleich die nächsten. Nur wurden die ersten nicht schorfig, sondern sie blieben einfach wunderschön. Die kleinen sind natürlich die Top-Pflanzkartoffeln für das nächste Jahr. Ich hatte dir doch schon einmal erzählt, dass die Ernte um so größere Knollen aufweist, je kleiner die Pflanzkartoffeln sind.
Bonita Ojo de Perdiz
Ich kann da noch einen draufsetzen. Auch die Bonita bekam ich – wie fast alle meiner derzeitigen Lieblingssorten – von der netten Frau aus der Schweiz. Sie (also die Kartoffel, nicht die Frau) kommt ursprünglich von den Kanaren und brachte 2017 eine Unmenge recht kleiner Knollen. Vielleicht muss sie sich noch an die Langtage gewöhnen, aber 200 Knollen Ernte aus einer einzigen Pflanzkartoffel sicherten auch ihr einen Platz im Hochbeet 2018. Sie blüht übrigens genauso ausdauernd wie die Blaue Anneliese, eine echte Bereicherung für das Beet.
2018 habe ich dann mal ganz genau gezählt und auch gewogen. Trotz der Trockenheit waren diesmal etliche Knollen schon deutlich größer als 2017, auch wenn immer noch viele Winzlinge dabei waren. Diese Minis haben wir übrigens noch am gleichen Abend einfach nur gewaschen und in der Pfanne knusprig gebraten, ein bisschen Salz drauf, fertig: UN!Glaub!Lich! lecker! Aber zurück zur Auswertung: Diese Pflanze, 2017 geäugelt und 2018 aus einer winzigen Pflanzkartoffel gewachsen, trug sagenhafte 217 Knollen! Und die wogen zusammen immerhin über zweieinhalb Kilo! Ich wage kaum, mir auszumalen, wieviel die Ernte wiegt, wenn die Sorte sich einmal endgültig an unsere sommerlichen Langtage gewöhnt hat… Falls du also irgendwann in den nächsten Jahren aus Richtung Nordeifel ein Erdbeben spürst, keine Sorge: Ich habe bloß meine Bonitas geerntet 😀